Auch mit den Nikon Z-Kameras möglich

“Isolose” Fotografie

Autor: Kurt O. Wörl

Nach meinem Blog-Beitrag Warum ich ISO 200 bis 800 vermeide, in welchem ich im letzten Absatz kurz die “isolose” Fotografie (isoless photography) erwähnt hatte, wurde ich gebeten, diese doch kurz zu erklären.

Nun, ich kann dazu wirklich nur das wiedergeben, was ich in Workshops und in Fachartikeln gelernt habe und das ist eher theoretischer Natur. Ich selbst habe mich nur ein paarmal zu Testzwecken mit meiner Nikon Z 6II auch praktisch damit beschäftigt, halte aber nicht allzu viel davon, generell RAW-Fotos stark unterbelichtet aufzunehmen, um sie dann im RAW-Konverter (bei mir DxO PhotoLab) nachträglich aufzuhellen. Wer tiefer einsteigen möchte, ich habe am Ende dieses Textes ein paar weiterführende Quellen verlinkt.

Was steckt hinter “isolosen” Sensoren?

Im Grunde steckt dahinter die Tatsache, dass digitale Kameras eigentlich gar keine ISO-Einstellungen im herkömmlichen Sinne benötigen. Diese waren in der analogen Fotografie erforderlich, um die Belichtungszeit der Kamera an die Lichtempfindlichkeit des eingelegten Films anzupassen, die auf der Filmbüchse in ISO-Werten angegeben war. Ein ISO-800-Film war empfindlicher – aber auch grobkörniger – als ein ISO 100-Film. Ersterer konnte kürzer belichtet werden konnte aber weniger Detailzeichnung wiedergeben als letzterer.

Nachdem in den digitalen Kameras aber keine unterschiedlich empfindliche Sensoren – wie einst unterschiedlich empfindliche Filme – gewechselt werden, sondern diese fest in der Kamera verbaut sind, wäre die ISO-Steuerung im Sinne des ursprünglichen Zwecks eigentlich überflüssig. Sie wurde dennoch übernommen, um damit die Verstärkung der empfangenen Lichtmenge als Ersatz für die frühere Filmempfindlichkeit zu steuern. Die ISO-Steuerung wird also nicht mehr zur Steuerung der an die ISO-Zahl eines Filmes angepassten Belichtungszeit, sondern zur Steuerung der erforderlichen Lichtverstärkung im Sensor genutzt.

Aber da in herkömmlichen Sensoren die gemessene Lichtmenge erst verstärkt (ISO-Aufhellung) und erst danach über den Analog-Digitalwandler in die RAW-Datei geschrieben wurde, hatte dies zur Folge, dass, je mehr das Lichtsignal verstärkt werden musste, umso mehr auch das Grundrauschen mitverstärkt wurde. Das führte beim Aufhellen dunkler Bereiche im RAW-Konverter zu einem deutlichen Rauschen und zwar umso mehr je höher die ISO-Zahl gewählt wurde.

Bei den neuen, sog. “isolosen” Sensoren wurde eine Änderung in der Signalverarbeitung vorgenommen. Diese neuen Sensoren wandeln die von der Fotozelle gemessene Gesamtvoltzahl erst über den Analog-Digitalwandler um und erst danach erfolgt die ISO-Aufhellung. Damit wird vermieden, dass das Grundrauschen mitverstärkt wird. Das funktioniert inzwischen so gut, dass – je nach Hersteller – zwischen ca. ISO 800 bis ISO 1600 gar keine ISO-Werte mehr in die Rohdaten geschrieben werden. Das bedeutet aber auch, dass eine bei ISO 100 völlig unterbelichtete Aufnahme, nachdem diese im RAW-Entwickler um den passenden Blendenwert nach oben korrigiert wurde, genauso aussehen müsste, wie eine korrekt belichtete Aufnahme bei ISO 800 und 1600. Und das trifft zu, jedenfalls bei den neuen Sensoren, die in neuen spiegellosen Sony-, Nikon- und Fuji-Kameras verbaut sind. Canon kann diese Technologie bislang noch nicht anbieten.

Wie kann man das nutzen?

War vorher eine digitale Aufnahme stark unterbelichtet, dann konnte man sich vielleicht freuen, dass nach dem Aufhellen der dunklen Bereiche im RAW-Konverter ein schöner blauer und kein ausgefressen weißer Himmel zu sehen war. Aber man wusste auch, dass die aufgehellten, dunklen Bereiche der Aufnahme stark verrauscht sein werden. Die neuen Sensoren hingegen zeigen kaum einen Unterschied, ob man bei ISO 100 ein völlig unterbelichtetes Bild im RAW-Entwickler nachträglich aufhellt oder korrekt belichtet in ISO 800 oder 1600 aufgenommen hat. Man wird kaum Unterschiede zwischen den Aufnahmen und auch kein verstärktes Rauschen wahrnehmen können.

Persönliches Fazit

Zunächst: Die in diversen Artikeln so bezeichneten “isolosen” Sensoren sind nicht isolos, sondern richtig bezeichnet Dual-Base-ISO-Sensoren. Was das ist, habe ich in meinem oben verlinkten Beitrag Warum ich ISO 200 bis 800 vermeide bereits beschrieben. Man kann allenfalls sagen, dass bei diesen neuen Sensoren der ISO-Bereich zwischen 100 und 1600 kaum noch Qualitätsunterschiede liefert.

Ich selbst gehe nicht bewusst vorsätzlich “isolos” zum Fotografieren (ich mag keine stark unterbelichteten Aufnahmen, sondern ich möchte schon sehen, was ich fotografiert habe). Nur: im Wissen um diese neue Technologie, gehe ich heute sehr viel entspannter mit schwierigen Lichtverhältnissen um. Im Urlaub beginnt bei meiner Nikon Z 6II die festeingestellte ISO-Automatik erst ab ISO 800 als unterster Wert, was mir erlaubt, mehrere Stufen abzublenden und damit mehr Tiefenschärfe zu erreichen oder mit ultrakurzer Belichtungszeit zuverlässig gelungene Schnappschüsse und weniger verwackelte Bilder zu schießen. Da die digitalen Sucher und Monitore in den spiegellosen Kameras heute zudem ein WYSIWYG-Bild zeigen, blende ich halt ab, bis nichts mehr ausgefressen erscheint und was abgesoffen ist, wird im RAW-Konverter nahezu rauschfrei aufgehellt. Folge: Ich muss kaum noch misslungene Fotos aussondern.

Tipp für Nutzer von Nikon-Z-Kameras:

Man kann z.B. bei der Nikon Z 6II statt der Matrix-, der mittenbetonten oder der Spotmessung auch eine “lichterbetonte Belichtungsmessung” einstellen. Damit kann man der Kamera in den Modi A , S und P die Aufgabe übertragen, so zu belichten, dass es keine ausgefressenen Stellen in den Lichtern gibt. Damit werden die Fotos zwar in der Regel im Ganzen unterbelichtet  aufgenommen (also NICHT nach der üblichen Mess-Methode, einen über das ganze Foto 18%igen Grauwert zu erzielen). Aber bei der späteren RAW-Entwicklung kann man dann die zu dunkel geratenen Stellen fast verlustfrei wieder aufhellen. Im Grunde fotografiert man mit dieser lichterbetonten Messung nach der “isolos”-Methode, ohne viel darüber nachdenken zu müssen. – Nur so als Tipp.

Nicht im JPG-Modus “isolos” versuchen!

Wer nicht im RAW- sondern nur im JPG-Modus fotografiert, der sollte es gar nicht erst versuchen, “isolos” zu fotografieren. Der Grund ist simpel: Jede Entwicklungsarbeit an einem Bitmap-Format wie JPG etc. ist immer destruktiver Art. JPG-Fotografen sollten am besten so gut belichten, dass nachträglich kaum noch Änderungen an einem Foto erforderlich sind. Im RAW-Format werden hingegen nur die Rohdaten bearbeitet (jederzeit verlustfrei wieder zurücknehmbar) und erst danach als verlustfreie generierte Bitmap-Dateien (JPG, TIFF usw.) abgespeichert.

 Weiterführende Quellen:

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